Pressegespräch, 14. August 2024
Ärztliche Hausapotheken als Chance für die bestmögliche Versorgung der Steirerinnen und Steirer
Ihre Gesprächspartner:
- Dietmar Bayer, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, Vizepräsident und Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte
- Silvester Hutgrabner, Arzt für Allgemeinmedizin und Referent für Hausapotheken der Österreichischen Ärztekammer
- Karl Heinz Schrötter, Arzt für Allgemeinmedizin und Referent für Hausapotheken und Landmedizin
Die ideale Patientenversorgung, besonders in ländlichen Gebieten, funktioniert nur mit einem Miteinander von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken.
Alles aus einer Hand – unkompliziert – zu bekommen, ist der Mehrwert für ländliche Regionen. So könnten die derzeit 44 offenen Kassenplanstellen für Allgemeinmedizin in der Steiermark sicherlich einfacher besetzt werden – österreichweit gibt es knapp 300 unbesetzte Kassenstellen.
Untersuchungen des Beraternetzwerkes Kreutzer Fischer & Partner haben ergeben, dass 400 neue Kassenstellen durch Ausbau der ärztlichen Hausapotheken besetzt werden könnten.
Das Apothekengesetz regelt die Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke. Wünschenswerte Änderungen bedürfen einen Beschluss im Nationalrat. Hier ist festgelegt, dass der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte einer öffentlichen Apotheke mehr als sechs Kilometer entfernt zu sein hat (§ 29 Abs. 3 Zi. 3).
Bis zum Jahr 1998 gab es knapp 1000 öffentliche Apotheken und 1100 ärztliche Hausapotheken. Nach der Novellierung des Apothekengesetztes wurde der Bestand an ärztlichen Hausapotheken verringert. Österreichweit gab es 2018 noch 845 und aktuell noch 793 ärztliche Hausapotheken.
Es gibt in der Steiermark 147 hausapothekenführende Ärztinnen und Ärzte und 215 öffentliche Apotheken.
Kurienobmann Bayer erklärt, dass es derzeit der Kuh besser als der Bäuerin/dem Bauern geht, denn die Tierärztin und der Tierarzt hat Medikamente mit dabei. Und das im 21. Jahrhundert – das darf nicht sein. Das betrifft nicht nur hausapothekenführende sondern alle Ärztinnen und Ärzte.
Ärztliche Hausapotheken haben auch auf die Umwelt eine positive Auswirkung: bei einem flächendeckenden Ausbau würde man laut einer Studie der Johannes Kepler Universität Linz fast 15.000 Tonnen CO2 einsparen, wenn Patientinnen und Patienten nicht in eine öffentliche Apotheke fahren müssen, um dort ihre Medikamente zu kaufen. Das wären Fahrten von über 71 Millionen PKW-Kilometer.
Auch auf die alternde und immobilere Gesellschaft sollte hier Rücksicht genommen werden. Wer nicht mobil ist, braucht immer jemanden, um die benötigten Medikamente zu besorgen.
„Zusammenfassend“ so Bayer „ist die Hausapotheke klimafreundlich, weil unnötige Wege vermieden werden können, es erhöht die allgemeine Verkehrssicherheit, wenn kranke Menschen nicht hinters Steuer gezwungen werden und falls sie doch als Alternative öffentliche Verkehrsmittel nutzen können, erspare man sich die Gefahr neuer Infektionsketten“.
Einzig der Widerstand und das Lobbying der Apothekerkammer würden diesen großen Schritt in Richtung besserer und moderner Patientenversorgung verhindern. Bei all den Veränderungen im Gesundheitssystem ist das Monopol der Apotheken zur Medikamentenabgabe immer noch nicht angetastet worden. Dabei sei dieses Konzept nicht nur verstaubt, sondern auch überholt, sagte Bayer.
ÖÄK-Referent für Hausapotheken Hutgrabner nennt als eine einfache Lösung für die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten die Streichung der km-Grenze in § 29 Abs. 1 Z 3. und Streichung des Abs. 3.
Hier geht es auch darum, den Erhalt bestehender Hausapotheken - auch bei der Übernahme der Ordination z.B. bei Pensionierung – zu ermöglichen: „Und, es ist mir wichtig, zu betonen, mit diesem Vorschlag wird keiner Apotheke etwas weggenommen!“
Unverständlich ist es auch, wieso man sich in PVEs zwar von mehrere Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner, Kinderärztinnen und -ärzten behandeln las-sen kann, von Sozialarbeiterin und -arbeitern oder zur richtigen Ernährung beraten lassen oder sich massieren lassen kann – aber Medikamente dürfen die Ärztinnen und Ärzte keine mitgeben. Der für Kranke umständliche, zeitaufwändige Weg zur nächsten Apotheke bleibt bestehen. Ein Kniefall vorm Lobbying der Apotheker auf Kosten kranker Menschen! „Jede PVE muss über eine ärztliche Haus-apotheke verfügen“, stellt Hutgrabner abschließend fest.
„In Zeiten moderner Logistik sind die Umwege über Apotheken für Patientinnen und Patienten, insbesondere am Land, nicht zu rechtfertigen“ so auch der steirische Hausapothekenreferent Karl Heinz Schrötter. „Es sei daher im Sinne der Patientinnen und Patienten höchst an der Zeit, auch hier neue Wege zu beschreiten.“
„Die Medikamente aus der Apotheke der nächsten Gemeinde/Stadt holen zu müssen ist vergleichbar damit, wenn ich im Wirtshaus ein Schnitzel und ein Bier bestelle und der Wirt sagt mir dann, das Bier muss ich mir aus dem Supermarkt im nächsten Ort holen, weil er nur Essen, aber keine Getränke servieren darf.“ erklärt Schrötter.
Mit dem Wegfall der Sechs-Kilometer-Grenze im Apothekengesetz § 29 Abs 1 Z 3 sowie Streichung des Abs 3 werden Kassenarztstellen im ländlichen Raum schlagartig attraktiver und könnten besetzt werden und somit ist die ärztliche Hausapotheke eine Chance für die bestmögliche Versorgung der Steirerinnen und Steirer.
Verteilung Hausapotheken und Apotheken in der Steiermark
Verteilung Hausapotheken in der Steiermark
Verteilung Apotheken in der Steiermark
Fotocredit: Schiffer/Ärztekammer Steiermark