AERZTE Steiermark 07-08/2024
Es war der menschenfreundliche Zugang
Respekt vor der Individualität und Wertschätzung auch für vielleicht etwas schwierigere Patient:innen bestimmen Angelika Wandschneiders Praxis als Psychiaterin und Suchtmedizinerin.
Eigentlich wollte Angelika Wandschneider eher Internistin werden − bis sie im Zuge des Turnus zufällig an die Abteilung für Suchtmedizin in der LSF kam. „Ich habe es vom ersten Tag an geliebt, mit diesen liebenswerten, interessanten Menschen zu arbeiten, viele von ihnen mit schwerem Schicksal“, erzählt die seit 2017 mit einer Wahlarztpraxis in Graz niedergelassene Fachärztin für Psychiatrie. „Es ist oft nicht einfach, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Berti“ (− der in der steirischen Suchtmedizin legendäre Prim. Joachim Berthold −) „hat mir gleich am Anfang gesagt: ‚Du wirst viel Zeit brauchen, um mit diesen scheuen Rehlein in Kontakt zu kommen.‛ Aber das hat auch sozusagen meinen Kampfgeist geweckt, mit diesen Patient:innen zu arbeiten, die so oft durch den Rost fallen“, so Wandschneider.
Suchtmedizinerin aus Leidenschaft
So ließ Wandschneider die bereits zugesagte internistische Ausbildungsstelle bleiben und kam fürs Fach Psychiatrie auf die Suchtmedizin, wo Berthold ihr eine Karenzvertretung angeboten hatte. Und der steckte die junge Ärztin − weil eine Substitutionsambulanz eines seiner Herzensanliegen war − gleich im 2. Ausbildungsmonat in dieselbe. „Klar habe ich mich anfangs gefürchtet. Nicht vor den Patient:innen, aber davor, beim Dosieren etwas falsch zu machen. Das hat sich aber – gut von Berthold begleitet – bald gelegt“, so Wandschneider. Und so ist Wandschneider neben der allgemeinen Psychiatrie, die sie in ihrer Praxis anbietet, auch der Substitution mit ihren faszinierenden, liebenswerten, aber eben auch scheuen und manchmal schwierigen Patient:innen treu geblieben: Nach der Facharztprüfung ließ sich Wandschneider mit einer wahlärztlichen Praxis nieder und arbeitet seit Beginn bis heute als Konsiliarpsychiaterin in der I.K.A., die in Graz derzeit rd. 300 Substitutionspatient:innen betreut.
Ein Segen für die Patient:innen
„Gerade das multiprofessionelle Team, das in der I.K.A. arbeitet, ist für die Patient:innen im Substitutionsprogramm enorm wichtig. Für manche ist die I.K.A. Teil ihrer Überlebensstrategie“, so Wandschneider. Mitunter sei die Arbeit in der I.K.A. palliativ − wie in anderen Bereichen der Medizin auch. „Diese Menschen brauchen viel. Sie wirklich in ihrer Individualität anzunehmen und zu begleiten − und nicht nur Rezepte zu schreiben − ist enorm wichtig und hilfreich. Es ist aber für mich als Ärztin eben auch eine sehr schöne Aufgabe, für diese Patient:innen da zu sein.“ Dass sich dieser interdisziplinäre Zugang in der Betreuung von Substitutionspatient:innen bewährt, zeige sich aktuell sehr deutlich bei den vielen Neuzugängen nach der Pensionierung einiger Substitutionsärzt:innen: Die in der I.K.A. betreuten Patient:innen sind − weil eben bereits längere Zeit interdisziplinär und nicht nur rezepturbetreut − deutlich stabiler.
Unkonventionelles Praxismodell
In der Praxis wurde Wandschneider rasch klar, dass nun ein Psychotherapie-orientierterer Zugang wichtig ist. So wandte sie sich − von den Psy-3-Diplomen her schon mit Verhaltenstherapie vertraut − der Schema-Therapie zu und absolvierte den ersten Lehrgang, den Maria Müller-Gartner in Graz anbot. „An der Niederlassung genieße ich sehr, dass ich mir selbst eine gute Chefin sein kann“, so Wandschneider, „genügend Freizeit und die Freiheit individuell zu leben und meine eigenen Entscheidungen zu treffen, das ist mir sehr wichtig.“ Dazu trägt auch ein auf den ersten Blick vielleicht unkonventionelles, aber hoch funktionales „Praxismodell“ bei: Wandschneider betreibt mit ihrem Mann, einem Allgemeinmediziner, gleichsam eine „familiäre“ Praxis: Das Paar teilt sich die Ordinationsräume und arbeitet ohne Angestellte − wodurch hohe zeitliche Flexibilität gegeben ist. Zudem arbeitet Wandschneiders Gatte Christian als „mobiler Hausarzt“ − ein innovativer Ansatz, der vor allem nicht mobilen Patient:innen im wahrsten Sinne des Wortes „entgegenkommt“ und auch solchen, die aus anderen Gründen gehindert sind, eine Ordination aufzusuchen. Wobei Mobilität − wenn auch gänzlich anders geartet − für Frau Angelika ebenso von professioneller Relevanz ist: Anduin, Philana, Mehlika und Wasim heißen Wandschneiders equestrische Cotherapeut:innen in der „pferdegestützten Psychotherapie“, die sie bei Robert Koch in Niederösterreich als Weiterbildung absolviert hat und mit viel Freude und guten Erfahrungen ihren Patient:innen anbietet.
Pferde können gut spiegeln
„Ich komme von einem Bauernhof und ein Leben ohne Pferde ist für mich nicht vorstellbar“, so die Mutter zweier Kinder, „so lag es nahe, die besondere Sensitivität, die Pferde haben, auch in die Therapie einfließen zu lassen.“ Pferdegestützte Psychotherapie hat nichts mit Reiten zu tun, sie erfolgt ausschließlich am Boden und kommt nur bei Patient:innen zum Einsatz, die Wandschneider bereits gut kennt.
„Die Pferde können versteckte Gefühle gut spiegeln“, so Wandschneider, „man könnte Pferde vielleicht sogar als ‚Superkatalysatoren‛ bezeichnen, so schnell kommen Gefühle in Kontakt mit ihnen zu Tage. Das kann enorm hilfreich sein.“ Wobei Wandschneider nicht nur für sich selbst eine gute Chefin ist, sondern natürlich auch für ihre Pferde. „Die brauchen nach manchen Patient:innen wirklich auch einige Zeit, um sich zu regenerieren, und die gebe ich ihnen natürlich“, so Wandschneider, die bei aller Individualität dennoch eine Teamplayerin aus Leidenschaft und Überzeugung ist.
Fotos: Fotos: Karinas, Hatzl/I.K.A., KK