AERZTE Steiermark 02/2024
Leidenschaft für das hinter den Dingen Stehende
Der Psychiater Johann Taucher ist in zwei verschiedenen Welten zuhause – in der Medizin ebenso wie in der Kunst. Die Psyche und ihre Bezüge zu Philosophie, Soziologie und Geschichte spiegeln sich in seinen Bildern als Suche, das darzustellen, was ungreifbar ist.
Von Walter Hoch
Bei Johann Taucher, einem gebürtigen Grazer, stand am Beginn des Studiums ein Hineinschnuppern in die Fächer Volkskunde und Philosophie. Das Interesse an der Gedankenwelt führte ihn dann aber zu jenem Fach der Medizin, in dem die Krankheit nicht mit den Händen zu greifen, also angreifbar ist – zur Psychiatrie.
In den Bildern seiner letzten Ausstellung Mitte Jänner 2024 in der Galerie Centrum in Graz schlägt sich diese Ausrichtung in einer Hinwendung zu einer abstrakten Malweise nieder.
„In der Ausstellung möchte ich meine Versuche nach Transzendenz aufzeigen, eine Umsetzung von Ahnungen und Ideen in Bildern geben“, so Taucher im Begleittext. Zu Beginn seines Malens stand die Umsetzung der antiken Weisheit Panta rhei im Mittelpunkt.
In Graz studierte er beim großen steirischen Psychiater Hans Georg Zapotoczky, der auch als Gründungsmitglied und Obmann der Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit weithin bekannt wurde. Ab 1986 wurde Taucher für 1,5 Jahre Gastarzt an der Med Uni Graz, es folgten 2 Jahre auf der hiesigen Universitätsklinik für Neurologie und schließlich 6 Jahre auf der Universitätsklinik für Psychiatrie. 1996 bot sich ihm die Gelegenheit, eine Kassenstelle für Psychiatrie in Graz zu übernehmen.
Maltherapie mit Maria Steinbauer
Im Zuge seiner Ausbildung an der Univ. Klinik für Psychiatrie lernte Taucher die Malgruppentherapie, die von Maria Steinbauer entwickelt wurde, kennen. An dieser wirkte er mit und begleitete diese auch wissenschaftlich. Die Erfahrungen und Erkenntnisse fassten sie in dem Buch Integrative Maltherapie , Eine Brücke zu Patienten mit psychischen Störungen (Springer Verlag 1997) zusammen.
Steinbauer und Taucher reihten sich damit in eine Tradition der Psychiatrie ein, in der das Malen sowohl auf Seiten der Ärzt:innen als auch auf Seiten der Patient:innen therapeutisch genutzt wurde. An erster Stelle sind dabei sicherlich die Bilder der Künstler:innen aus (Maria) Gugging zu nennen, die es mit dem von Leo Navratil gegründeten Künstlerhaus und ihrer art brut sogar zu internationalem Ruhm brachten. Oder auch jene des Psychiaters und Psychoanalytikers Rainer Danzinger, der lange in Graz wirkte.
Für Taucher sind in der Psychotherapie die Inhalte die tragenden Elemente, während in der Malerei die Ästhetik im Vordergrund steht. In der Maltherapie findet dann gleichsam eine Synthese statt. Was an Gestimmtheit der Patient:innen in einer Entspannungsphase als imaginiertes Bild erscheint, wird in der Malphase in ein gegenständliches Bild umgesetzt, welches der psychotherapeutischen Bearbeitung zugänglich wird. Inhalte und formale Kriterien werden gleich wichtig.
Kassentätigkeit als sichere Basis
„In meinem Leben als Arzt hat mir der kreative Teil eines Ausgleichs zur Tätigkeit als Kassenarzt gefehlt. Anfangs malte ich gelegentlich, daraus hat sich im Laufe der Jahre eine ernsthafte Tätigkeit entwickelt“, so Taucher über seine eigene Entwicklung.
Taucher hat bereits viermal ausgestellt, u. a. in der Reha-Klinik St. Radegund, es hat jedoch nie die Absicht bestanden, das Malen zum Beruf zu machen. Er hat dabei noch kein Bild verkauft, das war allerdings auch nicht beabsichtigt. Vielmehr zählt für ihn der Mehrwert, dass viele Menschen zusammenkommen und in Kunstwelten abtauchen. Das Finanzielle spielt keine Rolle, weiß sich Taucher doch als niedergelassener Psychiater diesbezüglich sehr gut abgesichert. Auch in seine Praxis bringen die Bilder Farbe und Phantasie.
Noch ein wichtiger Faktor macht Taucher zu einem Kassenarzt aus Überzeugung. „Während ich damals aus der Klinik oft Probleme mit nach Hause genommen habe, passiert das bei der Kassenpraxis sehr selten. Es herrscht hier viel weniger sozialer Stress“, freut sich Taucher. Und so will er auch nach zwei Jahren und wenn seine Kassenstelle ausläuft, noch als Wahlarzt für Psychiatrie weitermachen.