AERZTE Steiermark 12/2022
„Ich kann mir Dinge gut vorstellen“
Als junger Nephrologe gründete Helmut Katschnig ein Dialyseinstitut in seiner Heimatstadt Judenburg. Aus dem Wunsch heraus, Patient*innen wie Mitarbeiter*innen vor vermeidbaren Infektionen zu schützen, erfand er das METEKA Hygienesystem, das heute in mehr als 30 Ländern genutzt wird.
Ursula Scholz
Leistungsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein sind wohl die beiden größten Kräfte, die Helmut Katschnig antreiben. Als Enkel und Sohn selbständiger Handwerker – Sattler und Tapezierer – hat er nicht nur ein beachtliches Arbeitsethos übernommen, sondern auch die Einstellung, auftretende Probleme selbstverständlich in Eigenregie zu lösen. Mit 75 Jahren ist er immer noch als ärztlicher Leiter und administratives Oberhaupt seines Dialyseinstituts tätig.
Dass er dereinst zusammen mit einem Techniker seines Instituts ein auf Mikrowellentechnologie basierendes, ökologisch zukunftsweisendes und ökonomisch vorbildliches Hygienesystem erfinden und bauen würde, war nicht vorherzusehen. Es war jedoch die logische Folge seiner unermüdlichen Bemühungen, Infektionen (insbesondere Hepatitis-Infektionen, zu denen er auch wissenschaftlich publiziert hatte) in der Patientenschaft wie beim Personal, wie sie in den 1980ern nahezu fatalistisch hingenommen wurden, zu vermeiden. „In den über 40 Jahren seines Bestehens hat mein Institut bei mehr als 300.000 durchgeführten Dialysen keine einzige Cross-Infektion verzeichnet“, erzählt Katschnig stolz.
Von Immunologie zu Nephrologie
Zur Nephrologie hat ihn der Zufall geführt – oder Siegfried Sailer, Professor für Innere Medizin und Klinikvorstand am Universitätsklinikum Graz. Er gab Katschnig die Möglichkeit, eine Facharztausbildung zu absolvieren und lenkte den angehenden Facharzt, der eigentlich in Richtung Immunologie gehen wollte, zur Nephrologie. 1982, ein Jahr nach seiner Facharztprüfung, eröffnete Katschnig sein eigenes Dialyseinstitut. Der Bedarf war gegeben; ein Kassenvertrag zunächst noch nicht. Doch Schwierigkeiten sind für Katschnig bloß ein Anreiz, sie zu überwinden. Auch sein Studium, das er an die Lehrerbildungsanstalt anschloss, hat er im überwiegenden Maß als Werksstudent absolviert, eigenfinanziert durch diverse Jobs von der Papierfabrik bis zur Post.
Schließlich bekam er den ersehnten Kassenvertrag. „Heute ist das Institut nicht mehr wegzudenken“, resümiert Katschnig. Von Beginn an legte er in seinem Unternehmen Wert auf ein striktes Hygienesystem. Die einzige Schwachstelle, die er letztlich entdeckt hat, lauerte nicht im Institut selbst, sondern vor dem Gebäude: bei den Müllcontainern. Hier kam es zu einem Schlüsselerlebnis.
Für den Süßmost
„Zur Minimierung der Verletzungs- und Infektionsgefahr haben wir anfangs die gebrauchten Nadeln in die bei der Dialyse anfallenden Zehn-Liter-Kanister gefüllt und diese in Müllsäcken zum Container gebracht. Einmal habe ich einen Mann dabei erwischt, wie er einen Kanister aus dem Müllsack geholt hat, entleert hat und mitnehmen wollte. Als ich ihn darauf angesprochen habe, meinte er ganz arglos, die würde er anschließend auswaschen und darin seinen Süßmost abfüllen“, erzählt Katschnig. Als Akutmaßnahme versperrte er daraufhin die Müllcontainer und kaufte sich um eine halbe Million Schilling einen Autoklav, das damals erhältliche Abfall-Entkeimungsgerät mittels Dampf, das wie ein überdimensionaler Druckkochtopf funktioniert. Enorme Stromkosten und die unpraktische Handhabung machten Katschnig allerdings so unzufrieden, dass er sich an den Techniker seines Instituts wandte. Dieser schlug als Lösung das Erhitzen des Abfalls mittels Mikrowelle vor. Um eine homogene Temperatur zu garantieren, entwickelte Katschnig sein später patentiertes System mit dreidimensionaler Einkopplung von Magnetronen. Ein paar geheime Features enthält der MEDISTER®, wie er sein Gerät genannt hat, außerdem. Sie bleiben geheim. Rund tausend Geräte stehen mittlerweile in über 30 Ländern von Rumänien bis Russland und von Bulgarien bis zu den baltischen Staaten im Einsatz.
Ein Prinzip, vier Generationen
Derzeit wird über Katschnigs Unternehmen METEKA (MEdizin TEchnik KAtschnig) die vierte Generation des Gerätes an Krankenhäuser, Labore und Forschungszentren vertrieben; Steuerung und Elektronik werden stetig modernisiert. Das Grundprinzip ist jedoch dasselbe geblieben: Vor Ort wird infektiöser Abfall im stichfesten MEDITAINER gesammelt, der mittels Pedal geöffnet wird. Dieser spezielle Abfalleimer (es gibt ihn wie das Endgerät in mehreren Größen) wird auf dem MEDITRANS® Transportwagen zum MEDISTER® gefahren und dort barrierefrei hineingeschoben. Der Container wird dann zusammen mit dem medizinischen Abfall per Mikrowelle entkeimt und ist am Ende des rund 45-minütigen Vorganges wieder einsatzbereit. Die Abfälle darin sind so weit dekontaminiert, dass sie direkt und ohne Gefahr für die Umwelt entsorgt werden können. Das größte von Katschnigs Geräten ist so dimensioniert, dass damit ein 300-Betten-Spital bei nur acht Stunden Betriebszeit versorgt werden kann.
Rund eineinhalb Jahre hat Katschnig am Prototypen getüftelt, der ab 1988 in seinem Institut zum Einsatz kam und heute im Judenburger Meteka Museum (nebst weiteren 14 MEDISTER-Geräten) zu sehen ist.
Nichts ist unlösbar
Weitere Patente für Abwassersterilisationsgeräte sind mittlerweile abgelaufen, ohne dass das von Katschnig entwickelte Gerät breite Verwendung gefunden hätte. Der Bedarf hat sich erfreulicherweise (noch) nicht ergeben. In einem tschechischen Hochrisiko-Krankenhaus, das für den Fall von Biokampfstoff-Angriffen gerüstet wurde, stehen jedoch drei von Katschnigs Abwassersterilisatoren. „Ich bin kein Bastler“, wehrt er ab. „Aber ich kann mir Dinge gut vorstellen. Und ich bin der Meinung, dass es nichts gibt, das man nicht lösen kann.“
Auch seine Patient*innen ermuntert er, unter anderem in seinem Buch „Den Jahren Leben geben. Erfülltes Leben mit Dialyse“, selbst für ihr Leben Verantwortung zu übernehmen und sich zu positivem Denken zu motivieren. „Ich sage stets zu meinen Patienten: Ich bin nicht Ihr Vormund, ich bin Ihr Berater. Heilen können nur Sie sich selbst – mit unserer Hilfe und der vom lieben Gott.“
„Bin kein Hamster“
Die aktuellen Dekontaminationsgeräte werden über die Firma METEKA vertrieben, in der über 20 Jahre Katschnigs Ehefrau Sabina als Geschäftsführerin tätig war, bevor Sohn Roland die Funktion übernommen hat. „Es ist nach wie vor mühsam“, gesteht Katschnig. Da es keine einheitliche gesetzliche Regelung für die Entkeimung medizinischen Abfalls gebe, sei die Nachfrage überschaubar. Das entsprechende Bewusstsein für die Notwendigkeit, damit auch das Umfeld wie die Umwelt zu schützen, sei noch nicht besonders ausgeprägt.
Den geschäftlichen Bereich der Abfalldekontamination überlässt Helmut Katschnig anderen Familienmitgliedern, die Leitung seines Institutes obliegt jedoch immer noch ihm selbst. „Ich hatte sogar schon einen Stempel, auf dem ‚Primarius in Ruhe‛ stand“, gesteht er. Aber als die ärztliche Nachfolge sich nicht wie geplant gestaltete, übernahm er nach eineinhalb Jahren erneut selbst das Ruder. Der Geist und die Motivation, meint er, seien ohnehin noch frisch wie mit 30 Jahren. Nur körperlich spüre er die seitdem vergangene Zeit.
Für die Fitness des Geistes und des Körpers sorgt er mit Philosophieren, Lesen, Pilgern und Wandern. „Ich bin kein Typ für das Fitnessstudio“, betont er. „Ich bin ja kein Hamster!“ Auch als Hobby-Weinbauer kommt er an die frische Luft. Als er vor zwanzig Jahren einen Weingarten in Slowenien übernahm, musste er den Weinbau von der Pike auf lernen. „Heute ist unser Wein schon ganz passabel“, erklärt er bescheiden.
Drei Ziele
Drei Ziele hat Katschnig für seine Zukunft definiert. Das erste: „Ich möchte meine Nachfolge am Institut gut regeln.“ Das zweite sollte sich dann aus dem ersten ergeben, nämlich etwas mehr Zeit für sich selbst zu haben. Als drittes möchte er im medizinischen Bereich Innovationsmotor bleiben. Da gebe es, so Katschnig, noch Ideen in seinem Kopf, die er umsetzen möchte: „Ich habe immer wieder nach begleitenden Behandlungen mit orthomolekularer Medizin gesucht. Das würde ich gerne weiterverfolgen. Und ich habe in meiner Zeit auf der Klinik ein neues Dialyseverfahren entwickelt. Das möchte ich noch weiterbringen. Da ist mir seinerzeit der MEDISTER® dazwischengekommen …“
Die Zeit, die ihm geschenkt ist, will er jedenfalls nutzen – und er zitiert dazu Horaz: Dum loquimur, fugerit invida aetas: carpe diem, quam minimum credula postero! (Während wir reden, ist die missgünstige Zeit entflohen. Genieße den Tag, möglichst wenig vertrauend auf den folgenden!)
Foto: beigestellt