AERZTE Steiermark 10/2022
Ärztinnen & Ärzte können es – wenn sie dürfen
Ärztinnen und Ärzte leisten exzellente Arbeit. Wenn die öffentlichen Strukturen ihnen den Raum geben.
Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in der Steiermark hat sich zuletzt durchaus erfreulich entwickelt: So ist die Gesamtzahl vom September 2021 bis zum September 2022 um 1,83 Prozent oder 120 Ärztinnen und Ärzte auf 6.680 gewachsen.
„Wir haben Verbesserungsbedarf in allen Bereichen des öffentlichen Gesundheitssystems“, fasst der Präsident der Ärztekammer Steiermark, Michael Sacherer, zusammen.
Gleich sieht es Dietmar Bayer, Vizepräsident der Ärztekammer Steiermark und Obmann der Niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Er spricht von einem „ÖGK-Ärztemangel“. Der könne nur „durch eine mutige Verbesserung der Rahmenbedingungen für die ärztliche Arbeit in der öffentlichen Gesundheitsversorgung behoben werden“, sagt Bayer. Er warnt auch vor einem Schlechtmachen der Wahlärztinnen und Wahlärzte, wie es aus Teilen der ÖGK immer wieder zu hören sei.
„Denn“, so Bayer, „unsere Ärztinnen und Ärzte machen überall exzellente ärztliche Arbeit für die Patientinnen und Patienten.“ Aber die Systeme müssten es ermöglichen, dass die Qualität der ärztlichen Arbeit für die Patientinnen und Patienten spürbarer werde. Dazu brauche es faire Verhandlungen in allen Bereichen.
„Die Engpässe bei Kassenärztinnen und Kassenärzten hat die ÖGK zu verantworten. Leistungen und Honorare sind gerade in der Steiermark im Vergleich zum Österreichschnitt schlecht“, moniert Bayer: „Die Versicherten könnten das ändern, wenn sie die Selbstverwaltung in der ÖGK als Betroffene selbst in die Hand nehmen und neue Leistungen einfordern.“
Bayer weist auch darauf hin, dass die steirische Bevölkerung laut offizieller Statistik in den letzten 20 Jahren um fast 6 Prozent gewachsen ist, während die ärztliche Versorgung stagniert bzw. sogar zurückgenommen wird. So wären 2022 für eine Kassenärztin bzw. einen Kassenarzt um fast 1.000 Behandlungsfälle pro Jahr mehr zu bewältigen als 2002. „Die öffentliche Hand muss die ärztliche Versorgung ausbauen, nicht abbauen“, ist sein Fazit.
Herwig Lindner, Referent für vergleichende Systemanalyse und Angebotsplanung der steirischen Ärztekammer, fordert mehr Problembewusstsein von den Verantwortlichen ein. Es sei Zeit, Fehler der Vergangenheit ohne Schuldzuweisung aufzuarbeiten und gemeinsam übergreifend die Versorgung zu planen. „Nur wenn alle Systempartner auch als solche zusammenarbeiten, ist eine gute Zukunftsplanung der Gesundheitsversorgung für die Steirerinnen und Steirer möglich“, ist seine feste Überzeugung.
Wie sich Verbesserungen der Rahmenbedingungen positiv auswirken, zeige die notärztliche Versorgung, ergänzt Sacherer. Seit die Tarife in der Steiermark auf ein im Vergleich zu anderen Bundesländern konkurrenzfähiges Niveau angehoben wurden, sind die Klagen über nicht besetzbare notärztliche Dienste verstummt.
Sacherer erinnert auch an den Rechnungshof-Bericht 2021 zur Ärzteausbildung: „31 % des jährlichen Absolventenpotenzials standen … für die ärztliche Versorgung in Österreich nicht zur Verfügung“, steht in dem Bericht. Der Rechnungshof empfiehlt „geeignete Maßnahmen zu setzen, um die Ärzteausbildung und Berufstätigkeit von Medizinabsolventinnen und -absolventen in Österreich zu forcieren“. Insbesondere rate der Österreichische Rechnungshof, die Zusammenarbeit zu intensivieren.
„Um die Ärztinnen und Ärzte zu motivieren, die Patientinnen und Patienten innerhalb der öffentlichen Gesundheitssysteme zu versorgen, müssen sich die Rahmenbedingungen verbessern“, fordern Sacherer und Bayer alle Beteiligten zu mehr Selbstreflexion und gezielten Verbesserungsmaßnahmen auf. „Die Ärztinnen und Ärzte leisten exzellente Arbeit. Aber die öffentlichen Strukturen müssen optimiert werden, damit Patientinnen und Patienten genug Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitssystem haben“, lautet die abschließende Mahnung.
Foto: Schiffer