AERZTE Steiermark 02/2022
Erwünschte Wirkung und unerwünschte Nebenwirkung
Ja, es gab im Jahr 2021 deutlich mehr Anträge auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz als in den Jahren zuvor. Was aber vor allem mit der stark gestiegenen Zahl der Impfungen zu tun hat, aber auch damit, dass über (unerwünschte) Nebenwirkungen im Vergleich sehr viel mehr debattiert wird als über die positive und erwünschte Wirkung.
396 Anträge auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz gab es 2021. 372 davon (fast 94 Prozent) betrafen die COVID-19-Impfung.
Das ist zwar deutlich mehr als die zehn Anträge des Jahres 2020, aber da gab es auch keine 16,47 Millionen COVID-19-Impfungen, sondern nach ministeriellen Schätzungen (genaue Österreich-Zahlen liegen nicht vor) insgesamt lediglich 3 bis 4 Millionen Impfungen. Allein dieser Umstand erklärt die Steigerung.
Es kommt aber noch etwas dazu, nämlich eine extrem aufgeheizte Stimmung, die dazu verleitet, Schäden zu vermuten und Entschädigungsanträge zu stellen. Von 2012 bis 2020 wurden im Schnitt nämlich lediglich etwas über 9 Entschädigungsanträge pro Jahr gestellt.
Anspruch auf Entschädigung besteht natürlich nur dann, wenn ein Schaden durch die Impfung (kausaler Zusammenhang) entstanden ist, nicht wenn eine Beeinträchtigung nur in zeitlicher Nähe zur Impfung aufgetreten ist. Von 90 abgeschlossenen Verfahren zwischen 2012 und 2021 führten daher auch nur 9 zu einer Entschädigung, 81 Anträge wurden abgelehnt, weil eben kein kausaler Zusammenhang festgestellt werden konnte.
Praktisch immer, wenn über mögliche unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen) der COVID-19-Impfung berichtet wird, vergessen die Reports nicht auf den Hinweis, dass die Krankheit ein vielfach höheres Risiko in sich trägt als die Impfung. Nur: In der öffentlichen Debatte geht dieses Faktum leider oft unter. Es wird weit mehr über die mögliche unerwünschte Nebenwirkung als über die positive Wirkung der Impfung geredet und nachgedacht.
Positive Wirkung im Mittelpunkt
Eine – allerdings nur in einer Region Frankreichs durchgeführte, dort aber vielgelobte – Werbekampagne hat dagegen (siehe Bild) die erwünschte Wirkung der Impfung in den Mittelpunkt gestellt. Und die ist simpel die Chance, durch die Impfung wieder zu einem „normalen Leben“ mit den gewohnten Sozialkontakten finden zu können.
Wobei der Fairness halber dazuzusagen ist, dass die große Mehrheit der Menschen auch in Österreich unabhängig von erhitzten Debatten die positive Wirkung in den Mittelpunkt stellt. Unmittelbar vor Inkrafttreten der Impfpflicht hatten fast 6,2 Millionen Menschen in Österreich schon ohne Impfpflicht freiwillig ein aktives Impfzertifikat.
Bereits Anfang Jänner 2022 waren 80 Prozent der mittlerweile von der Impfpflicht erfassten Erwachsenen freiwillig gegen COVID-19 geimpft. Diese rund 6 Millionen Menschen betrifft das Impfpflichtgesetz persönlich schon längst nicht mehr.
Impfpflicht: Hindernisse, die keine sind und trotzdem behindern
„Personen, die nicht ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit geimpft werden können oder bei denen aus medizinischen Gründen keine erfolgreiche Immunisierung erfolgen kann“, sind neben Schwangeren von der gesetzlichen COVID-19-Impfpflicht ausgenommen. Befürchtet wird ein „Run“ auf Befreiungen, obwohl nur auf ganz wenige Menschen tatsächlich relevante Ausnahmegründe zutreffen.
„Allergien und Unverträglichkeiten“ sollen Gründe für eine Befreiung von der Impfpflicht sein. Die erforderlichen Atteste werden wohl von vielen nachgefragt werden. In der medizinischen Realität betreffen die Ausnahmegründe aber nur ganz wenige Menschen.
„Eine allergische Reaktion auf SARS-CoV-2-Impfungen ist äußerst selten“, hat die österreichische Arbeitsgruppe Allergologie bereits im Dezember 2021 in einer Stellungnahme festgestellt. Eine Anaphylaxie gegenüber einer COVID-19-Impfung, so die Expertise, würde (bei einer 100%igen Impfquote) etwa 65 Personen in Österreich betreffen. Nun unterliegen an die 7,4 Millionen Menschen ab 18 Jahren (für jüngere gibt es keine Pflicht) dem Impfpflichtgesetz. Darunter wären rein rechnerisch rund 58 Personen, die nach einer Impfung eine Anaphylaxie zu befürchten hätten. Die aus Sicht der Allergiefachleute zudem ärztlich beherrschbar ist.
Es kommt aber noch etwas dazu: „Aufgrund der Seltenheit der allergischen Reaktion auf einen der Impfstoffe und beschränkter Aussagekraft hinsichtlich Verträglichkeit der Impfung soll eine vorbeugende Testung auf die Impfstoffe oder deren Inhaltsstoffe nicht durchgeführt werden“, schreibt die Arbeitsgruppe Allergologie.
Mit einfachen Worten: Die Anerkennung einer Impfbefreiung aus allergologischer Sicht ist demnach gar nicht möglich, weil die dafür erforderlichen Tests gar nicht präzise durchführbar sind. Oder wie es ein Fachmann auf dem Gebiet noch drastischer ausdrückt: „dass Testen vor der Impfung völlig sinnlos ist“.
Dennoch gibt es die große Sorge, dass Hunderttausende mit völlig falscher Erwartungshaltung die Fachambulanzen stürmen und deren Kapazitäten blockieren werden. Näheres unter www.allergologie.at