AERZTE Steiermark 11/2021
Zwei Freundinnen an der Spitze
Nach einem Jahr Pause wurden heuer zum elften Mal die Träger*innen des Raiffeisen-Landesbank-Steiermark-Turnusärzt*innenpreises präsentiert. Diesmal haben es drei Frauen auf die Stockerlplätze geschafft.
Alle drei Preisträgerinnen waren bei den Grazer Fortbildungstagen anwesend, als ihr Sieg verkündet wurde: Lioba Heuschneider erreichte den mit 1.000 Euro dotierten ersten Platz, Elisabeth Feldmeier den mit 750 Euro dotierten zweiten und Manuela Glinz den dritten Platz mit 500 Euro. Die ersten beiden Preisträgerinnen sind Freundinnen – beide aus Bayern nach Graz zum Studium gekommen und geblieben –, die gemeinsam beschlossen haben, es einmal mit einer Einreichung zu versuchen.
Das Preisgeld wurde von der Raiffeisen Landesbank (als Nachfolgerin der Hypo Landesbank) gestiftet. Die ausgezeichneten Arbeiten reichten thematisch von „Gefährliche Blutarmut“ über „Ein Unglück kommt selten allein: Ein Duo seltener Erkrankungen – Histiozytäres Sarkom und idiopathisches hypereosinophiles Syndrom“ bis zu „Der 3. Blickwinkel“ aus einer allgemeinmedizinischen Praxis.
Mit zehn Einreichungen für das Jahr 2021 war der Andrang sehr gemäßigt. In den beiden Jahren vor der Pandemie wurden 18 und 17 Einreichungen verzeichnet; die bisher stärksten Jahre waren 2013 und 2018 mit jeweils 18 Kandidat*innen. Die für 2021 eingereichten Falldarstellungen stammten je zur Hälfte von Männern und Frauen.
„Berührt“
Lioba Heuschneider hat sich erst nach dem Aufruf per E-Mail entschieden, „ihren“ Fall zu präsentieren. Auf der Grazer Kinderklinik erlebte sie mit, wie ein kleines Mädchen aufgenommen wurde, das aufgrund einer schweren Anämie auf die Intensivstation musste. „Dabei hat es sich nicht, wie zunächst vermutet, um eine gewöhnliche Eisenmangelanämie gehandelt, sondern um die extrem seltene autoimmunhämolytische Anämie, mit einer jährlichen Inzidenz von nur 0,8 pro 100.000 Kinder“, berichtet Heuschneider.
Lobende Worte findet sie für ihre Ausbildner, die sich viel Zeit für Erklärungen genommen haben. Sowohl der behandelnde Assistenzarzt als auch Heuschneider selbst haben sich in alle verfügbare Literatur zum Thema hineingekniet. „Ich hatte mich schon zuvor für die Hämatologie interessiert – vielleicht hat mich der Fall deshalb so angesprochen.“ Er hat sie aber auch sehr berührt. „Es war wirklich beeindruckend, wie schnell sich das Mädchen unter der Therapie mit Cortison und Immunglobulinen letztlich erholt hat.“
Heuschneider möchte nach dem Turnus eine Fachausbildung zur Anästhesistin absolvieren. Durch ihre Verwurzelung im Medizinercorps verfügt sie bereits über Vorerfahrung in der Notfallmedizin, außerdem mag sie es, „wenn man die Auswirkung einer Behandlung sofort sieht“. In schwierigen Situationen behält sie den Überblick. Das Preisgeld möchte sie in ihr berufliches Fortkommen investieren: in einen neuen Laptop und Fortbildungen. „Und einmal schön Essen gehen.“
Ein Patient, zwei seltene Erkrankungen
Elisabeth Feldmeier wusste schon längere Zeit vom Turnusärztepreis, „hatte aber bisher nie die Ressourcen“, um einen Fall auszuformulieren und einzureichen. In der Karenz vor der Geburt ihres zweiten Kindes fand sie endlich Zeit dazu. „Ihr“ Fall war ein vielbeachteter auf der Universitätsklinik für Innere Medizin, weil der Patient gleichzeitig an einer sehr seltenen Krebserkrankung (einem histiozytären Sarkom) und einer seltenen Zusatzdiagnose (dem idiopathischen hypereosinophilen Syndrom) leidet. „Ein Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen ist rein spekulativ – aber weil der Krebs so selten ist, dass weltweit erst über wenige hundert Fälle geschrieben wurde, kann man ihn auch nicht ausschließen“, erläutert Feldmeier. „Nun wird beobachtet, ob die Antitumortherapie sich auch auf das hypereosinophile Syndrom auswirkt.“ Sie saß selbst im Tumorboard, in das auch internationale Expert*innen integriert waren, und konnte die Entscheidungsfindung über die Therapie mitverfolgen.
Feldmeier befindet sich, wenn nicht gerade in Karenz, in der Assistenzarztausbildung für Innere Medizin mit Zusatzfach Hämatologie. „Eigentlich bin ich in die Hämatologie hineingerutscht, aber was mich daran besonders anspricht, ist der lange und intensive Patientenkontakt. Man begleitet Menschen oft über Jahre hinweg.“ Ihr Preisgeld möchte sie für die Familie ausgeben. Vielleicht für das Baby. „Und ich habe meinem Freund versprochen, ihm Socken zu kaufen“, erzählt sie halb im Scherz.
Stichtag 1. Juni
In der Jury für den besten Fallbericht aus einem Turnus in der Steiermark saßen Hermann Toplak als Fortbildungsreferent der Steirischen Ärztekammer, Thomas Wegscheider als Obmann des Sektionsausschusses Turnusärzt*innen, Peter Sigmund als Vorsitzender der Steirischen Akademie für Allgemeinmedizin sowie die Co-Fortbildungsreferent*innen.
Stichtag für die Teilnahme ist jeweils der erste Juni – zu diesem Termin müssen die Einreichenden in der Steiermark in Ausbildung zum/r Allgemeinmediziner*in oder Facharzt/-ärztin sein oder ihre Ausbildung hier vor weniger als einem Jahr abgeschlossen haben. Die Einreichungsfrist der Unterlagen endet Anfang September, die genauen Daten werden zusammen mit den formalen Anforderungen rechtzeitig auf dem Fortbildungsportal der steirischen Ärztekammer unter www.med.or.at veröffentlicht. Vielleicht lässt sich ja 2022 wieder ein Spitzenwert an Einreichungen erzielen …
Foto: Schiffer