AERZTE Steiermark 11/2021
„Am Menschen dran“
Die Junge Allgemeinmedizin hat sich diesen Oktober beim JAM21-Kongress in Graz getroffen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus allen österreichischen Bundesländern.
Die Junge Allgemeinmedizin setzte ein starkes Zeichen: Mehr als 100 Gäste konnte der Obmann der Jungen Allgemeinmedizin, Richard Brodnig, beim Kongress vom 15. bis 17. Oktober am MED CAMPUS der Med Uni Graz begrüßen. Die Mehrheit stellten die Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung (55 Prozent), ein Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren aber Studierende. Und auch einige Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner mit abgeschlossener Ausbildung nahmen teil.
Der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner und der Rektor der Medizinischen Universität Graz, Prof. Hellmut Samonigg, nahmen als Ehrengäste teil und sprachen intensive Grußworte (siehe unten).
Weitere Unterstützer bzw. Partner neben der Ärztekammer und der Med Uni Graz waren das Krankenhaus der Elisabethinen, die Österreichische Gesundheitskasse, das Herz-Kreislauf-Zentrum Bad Ischl, das Land Steiermark, die Stafam und die ÖGAM. „Wir verzichten bewusst auf Sponsoring der pharmazeutischen und Medizinprodukte-Industrie, um ein Höchstmaß an Unabhängigkeit zu gewährleisten und die Möglichkeit von Beeinflussung von vorneherein zu verhindern“, ist ein JAMÖ-Prinzip, das konsequent eingehalten wurde.
Großes Programm
Sechs Vorträge und 14 Workshops wurden angeboten. Den Festvortrag zum Thema „Risikofaktor Alter“ hielt die Grazer Allgemeinmedizinerin Maria Wendler, von Anastasia Gudakovskaja kam eine Keynote zur „Digitalisierung in der Hausarztpraxis“. Auch eine Podiumsdiskussion stand auf dem Programm: Susanne Rabady, Florian Stigler und Andrea Grisold debattierten über „Pandemic Preparedness“. Moderator war Johannes Oswald.
Dazu Richard Brodnigs inhaltliche Einschätzung: Trotz der anfänglichen Unsicherheit hatte man in Österreich zu Pandemiebeginn die Sache „gut gemacht“. Naturgemäß waren auf Basis der Expertenempfehlungen „politische Entscheidungen“ zu treffen.
Zur Stellung der Allgemeinmedizin in Österreich sprach sich Brodnig ganz klar für die Einführung „der Fachärztin/des Facharztes für Allgemeinmedizin“ und die Verlängerung der Lehrpraxis aus. In diesen Punkten wusste er sich eins mit dem steirischen Ärztekammerpräsidenten Linder. Der hatte das in seinem Grußwort (und auch bei anderen passenden Gelegenheiten) ebenfalls angesprochen.
Zusätzlich gab es ein „Social Progmam“ mit „Speedfriending“, „Pub Quiz“ und „Sunrise City Run“. Ganz nach dem Motto der Jungen Allgemeinmedizin: „Der Austausch von jungen und angehenden Allgemeinmediziner*innen untereinander steht im Mittelpunkt des Kongresses. Neben den eigentlichen Sessions und den Pausen dazwischen möchten wir auch den Abend in gemütlicher Atmosphäre gemeinsam verbringen.“ Selbstverständlich entspreche der Ablauf dem aktuellen Corona-Reglement. Was nicht ganz einfach war, da die Vorschriften sich kurz vor der Veranstaltung änderten.
„Am Menschen dran“ galt für Organisator Richard Brodnig als zentrales Motto für JAM 21 – und wohl darüber hinaus für die Allgemeinmedizin an sich.
Der nächstjährige Kongress wird im September 2022 in Kärnten, voraussichtlich Klagenfurt, stattfinden.
„Seien Sie diese laute Stimme!“
Fünf Säulen, um die Allgemeinmedizin zu stärken, nannte der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner bei der Eröffnung des JAM21-Kongresses. Die jungen Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner – künftige und tätige – bat er, mit lauter Stimme selbstbewusst für die Allgemeinmedizin aufzutreten.
„Das Fach Allgemeinmedizin braucht die Fachärztin und den Facharzt für Allgemeinmedizin … Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin dürfen … nicht länger zweitklassig behandelt werden.“ Klare Worte kamen vom steirischen Ärztekammerpräsidenten Herwig Lindner bei der JAM21-Eröffnung. Gleichzeitig verlangte er eine deutliche Ausweitung der Lehrpraxis auf zumindest ein Jahr, „um internationalen Standards zu entsprechen“. Diese Forderung gelte natürlich für die Allgemeinmedizin, aber auch für den fachärztlichen Bereich.
Gleichzeitig sprach sich Lindner für eine Primärversorgung in unterschiedlichsten Zusammenarbeitsformen aus, es müssten „die Ärztinnen und Ärzte entscheiden können, welcher Weg in der jeweiligen Region und den jeweiligen Bedürfnissen und Möglichkeiten entsprechend der richtige ist“.
Das Prinzip müsse „wohnortnahe Familienmedizin“ sein. Diese dürfe niemals aufgegeben werden. Digitale Angebote sollten eine Ergänzung zur Überbrückung von Entfernungen sein. Aber, so Lindners Mahnung, „wir brauchen keine technischen Menschen, wir brauchen menschliche Technik, wir brauchen ganz grundsätzlich Menschlichkeit in der Medizin“.
Im Kampf gegen den Ärztemangel im öffentlichen Gesundheitswesen seien „ordentliche Bezahlung, moderne Leistungs- und Honorarkataloge sowie die Beseitigung bürokratischer Hürden“ dringend vonnöten.
Die jungen Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner ermutigte er, „eine laute Stimme“ für die Allgemeinmedizin und zu sein und „selbstbewusst“ aufzutreten.
Foto: Grabner