AERZTE Steiermark 10/2024

 

Spaß am Arbeiten

Falls es so etwas wie geborene Ärzte gibt, könnte Alexander Erben als solcher gelten: Schon als 3-Jähriger wollte Klein-Alexander Arzt werden – und zwar aus zwei sehr stichhaltigen Gründen: Einerseits trieben den Buben durchaus wissenschaftliche Fragen um. Zum Beispiel: „Wie wird aus einem Schluck Tee das Lulu?“ Und zweitens war er oft mit Mama und kleiner Schwester bei der Kinderärztin. Die war gar nicht nett und Alexanders Schwesterchen hat dort sehr oft bitterlich geweint. So dachte sich der kleine Alexander: „Das kann man besser machen, so geht das gar nicht!“

Ein Kärntner in Graz

Zwar entwickelte Erben im weiteren Verlauf seiner Kindheit und Jugend durchaus auch andere Interessen – etwa Musik, Tischlerei oder Elektronik – begann aber dennoch Medizin zu studieren. Wie so viele Kärntner eben in Graz. Er finanzierte sich sein Studium zusätzlich zur Unterstützung durch die Eltern als Programmierer und Musiker (Schlagzeug). Eigentlich waren es aber eher Studien, weil ihn auch die Philosophie und die Technik faszinierten. Dann kam der Turnus bei der KAGes, und zwar ausschließlich im Universitätsklinikum Graz. Was Erben wohl deshalb gelang, weil er grundsätzlich sein kleines Töchterchen zu den Terminen mit der legendären Frau M. mitnahm, die die KAGes-Turnusplätze administrierte. Eigentlich hätte Erben auch die Kinderchirurgie sehr interessiert, aber es blieb dann doch beim Turnus – und einer Ausbildung zum Arbeitsmediziner. Danach heuerte er neben diversen Vertretungen und einem Engagement in einem arbeitsmedizinischen Zentrum letztlich bei der Arbeitsmedizin der KAGes an. Weil Erbens damalige Frau eine allgemeinmedizinische Kassenpraxis zugesprochen bekam, half er auch dort und begann, sich selbst um eine Kassenstelle als Allgemeinmediziner zu bewerben. Nachdem er mit diversen Vertretungen und als arbeitsmedizinischer Wohnsitzarzt genug Punkte gesammelt hatte – anfangs waren mehr als 100 Bewerber vor ihm gereiht –, kam dann der Zuschlag: Erben konnte zwischen Pisdorf, Groß St. Florian und Stainz wählen. Er übernahm nach einem Jahr Übergangsordination am 1.1.2017 die Kassenordination von Peter Höll in Stainz, weil er die Gegend bereits als Arbeitsmediziner kannte. Fünf Jahre blieb Erben am alten Standort, weil es eine Mietvertragsbindung gab, währenddessen machte er sich an den Neubau.

 

Ressource Verantwortung

„Als Arbeitsmediziner habe ich eine Philosophie, wie Betriebe gut funktionieren“, so Erben, „da sind zum Beispiel Loyalität wichtig und Einsatz und Wertschätzung. Am wichtigsten ist aber wahrscheinlich die Verantwortung, in einem klaren Rahmen Gestaltungsmöglichkeiten zu haben. Das ist enorm wichtig, damit Menschen gut und gerne arbeiten können“, weiß der Arbeitsmediziner. „Das gilt für meine Mitarbeiter. Das gilt aber auch für mich: Verantwortung ist eine Ressource! Und ich bin der, der die Firmenpolitik gestaltet und ich brauche nicht mit Eitelkeiten eines Vorgesetzten zu kämpfen.“

 

„Du bist nicht allein“

Als Hausarzt am Land ist man nicht allein – und zwar praktisch nie: Das kann durchaus schwierig sein – so wird man auch beim privaten Einkauf erkannt und oft konsultiert oder auch an der Privatadresse aufgesucht. Das hat Erbens Tochter früher immer wieder irritiert. Da muss man sich auch auf die Geduld der Partnerin verlassen können. Es kann aber auch hilfreich sein – wenn es etwa darum geht, eine Kassenordination – und dann noch dazu einen Neubau – zu organisieren und wirtschaftlich auf solide Beine zu stellen. „Das Service in der Ärztekammer war schwer in Ordnung“, so Erben, „wir haben im Medizinstudium ja nichts über Betriebsführung gelernt. Und eine Krankenhausambulanz ist auch etwas ganz anderes als eine Ordination. Es hilft auch sehr, wenn sich eine Bank anständig und kompetent zeigt und die Unterstützung eines soliden Steuerberaters gibt auch viel Sicherheit“, so Erben. „Eigentlich wird man als Hausarzt ja auch Unternehmer. Und man braucht schon ein gewisses Mindset – und muss es entwickeln –, wenn man etwa einen Kredit aufnimmt und anfangs eben nicht sicher weiß, ob sich das alles auch ausgehen wird.“ Sechs Monate ab der Praxisübernahme hat es gedauert, bis Erben wusste, dass die Stainzer den neuen Arzt annehmen werden und auch die Organisation der Ordination in den Griff zu bekommen. Manche Patient:innen sehen die Öffnungszeiten und denken sich, das wäre ein Halbtagsjob. Umso mehr können sich die Stainzer nun über einen Hausarzt freuen, der – falls er gesund bleibt – bis über 70 arbeiten möchte, weil: „Ich bin nur meinen  Patient:innen und mir verantwortlich. Das ist ein gutes Gefühl. Ich mag dieses Arbeiten als Hausarzt sehr gern, es ist auch eine emotionale Heimat.“

 

Muldenkipper der Medizin

„In der Medizin bin ich als Hausarzt eine Art Muldenkipper: Ich sortiere vor, wo die in Spitzenzeiten bis zu 200 Patient:innen hin sollen, was sie brauchen, ob ich es selbst behandeln kann oder zum Facharzt oder auf die Klinik weiterüberweise. Dazu müssen die Menschen mir vertrauen. Das ist auch interessant und faszinierend: In manchen Fächern – zum Beispiel HNO, Neurologie, Orthopädie, Dermatologie, Psychiatrie – ist es oft schon wirklich schwierig, einen Termin beim Facharzt oder in der Klinik zu bekommen. Das dauert oft Monate. So arbeite ich mich medizinisch voran, erweitere meine Möglichkeiten und mein Wissen – das ist sehr spannend“, so der Hausarzt, „weil ich eben nicht wie auf der Ambulanz sofort diesen oder jenen Befund anfordern kann. Zur Verfügung stehen primär Verstand, Augen und Ohren, EKG, BZ, RR und CRP. Überhaupt ist die Arbeit als Hausarzt sehr vielfältig: Wir müssen die Balance zwischen Medizin und Pflege halten – viele Patient:innen brauchen ja eigentlich Pflege und Zuspruch –, uns mit den vielen psychischen Alterationen beschäftigen, aber eben auch bei einer Hautveränderung dranbleiben und ein Melanom rechtzeitig der richtigen Behandlung zuführen können ... Als Hausarzt bin ich – sehr gerne! – der Wissenschaft verpflichtet und der Medizin als sprechender Heilkunst. Ich begleite Menschen von den ersten Lebensjahren bis in die letzten Stunden des Lebens. Patient:innen in kritischen Situationen haben meine Handynummer und ich komme, wenn sie mich brauchen, auch sonntags um 2 Uhr in der Früh. Ich versuche die Medizin als Wissenschaft verständlich zu machen und versuche für die Therapietreue mit den Menschen in ihrer Sprache zu sprechen. Auch gegen die ͵Meinung΄ einer Suchmaschine. Das kostet Kraft und Zeit, ist aber wirklich befriedigend. Dieser Sinn im Arbeiten ist für mich die wichtigste Ressource!“

 

Vielfältiger Ausgleich

Erben arbeitet und lebt in Stainz, wo er auch Gemeinde- und Feuerwehrarzt ist. Er hat keine Terminpraxis, seine Patient:innen kommen, wenn sie ihn brauchen, und er kommt auch zur Visite.  Ausgleich findet Erben am Klavier und am Schlagzeug („Ich übe nur ...“), bei philosophischer Lektüre, in seiner kleinen Holzwerkstatt („Ich bin ein ambitionierter Bastler“) und in möglichst viel Qualitätszeit mit seinen beiden Kindern.