AERZTE Steiermark 09/2024
Erwachsenenschutzrecht: Ärztliche Expertise ist gefordert!
Im Falle beeinträchtigter Entscheidungsfähigkeit ist ärztliche Expertise bei allen Formen von Erwachsenenvertretung gefordert.
Mag. Dominik Liebich
Die österreichische Rechtsordnung sieht für Personen im Fall der Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit verschiedene abgestufte Möglichkeiten vor, sich selbst zu vertreten oder durch Dritte vertreten zu werden. Hierbei sind auch die Ärztinnen und Ärzte bei der Errichtung und Registrierung der verschiedenen Verfügungen gefordert.
Formen der Erwachsenenvertretung
Grundsätzlich vertritt sich jede volljährige Person in all ihren Angelegenheiten selbst. Bei Einschränkungen in der Entscheidungsfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen oder intellektueller Beeinträchtigungen normiert das Gesetz vier Vertretungsstufen, je nach Art und Schwere der Beeinträchtigung und der zu besorgenden Angelegenheiten.
Für noch einsichtsfähige Personen besteht die Möglichkeit, bereits vorab in einer vor Notar:innen, Rechtsanwält:innen oder einem Erwachsenenschutzverein zu errichtenden Vorsorgevollmacht selbst gewählte Vertrauenspersonen maßgeschneidert mit der Vertretung in jenen Angelegenheiten zu bevollmächtigen, die später, nach Verlust der Entscheidungsfähigkeit, zu besorgen sein werden.
Typische Regelungsinhalte der Vorsorgevollmacht sind neben Vermögensangelegenheiten und Behördenvollmachten auch die Vertretung im Krankenhaus und anderen stationären oder ambulanten Einrichtungen, die Zustimmungen zu medizinischen Heilbehandlungen und Operationen sowie die Entbindung der Ärztinnen und Ärzte von ihrer beruflichen Verschwiegenheitspflicht.
Die Vorsorgevollmacht ist nach ihrer Errichtung schwebend unwirksam, bis eine Ärztin oder ein Arzt für Allgemeinmedizin (die/der über das notwendige Fachwissen verfügt) oder eine Fachärztin oder ein Facharzt für Neurologie und/oder Psychiatrie den Eintritt der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht bestätigt.
Kann eine Person das Wesen der Erteilung einer Vollmacht in Grundzügen noch verstehen und danach handeln, ist jedoch in ihrer Entscheidungsfähigkeit bereits eingeschränkt, besteht die Möglichkeit, Vertrauenspersonen in bestimmten Angelegenheiten eine gewählte Erwachsenenvertretung zu erteilen.
Liegt keine Entscheidungsfähigkeit vor und kann eine Person auch nicht mehr in Grundzügen das Wesen einer Bevollmächtigung verstehen, ist eine Vertretung dieser Person durch einen nahen Angehörigen in gesetzlich klar definierten Angelegenheiten des täglichen Lebens mittels einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung möglich.
Voraussetzung dieser Form der Erwachsenenvertretung ist das Vorliegen eines ärztlichen Attests, welches das Vorliegen der gesetzlichen Erfordernisse bestätigt. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung ist drei Jahre gültig und muss danach erneuert werden. Wurde keine ausreichende Vorsorgevollmacht oder gewählte Erwachsenenvertretung errichtet und reicht die gesetzliche Erwachsenenvertretung in ihrem Umfang nicht aus, um Vertretungshandlungen für eine nicht mehr einsichtsfähige Person zu setzen, sieht das Gesetz als letzte Stufe die gerichtliche Erwachsenenvertretung durch einen vom Pflegschaftsgericht zu bestellenden gerichtlichen Erwachsenenvertreter vor.
Der Umfang dieser Vertretungsform ist vom Pflegschaftsgericht zu bestimmen und die Tätigkeiten jährlich im Rahmen des Lebenssituationsberichts gerichtlich zu überprüfen. Gerichtliche Erwachsenenvertretungen sind alle drei Jahre zu erneuern.
Rolle von Ärztinnen und Ärzten
Die ärztliche Expertise ist in mehreren sensiblen Phasen aller Formen der Erwachsenenvertretung erforderlich:
- Zunächst bei der Frage, ob eine Person überhaupt die für die Errichtung einer Vorsorgevollmacht oder gewählten Erwachsenenvertretung jeweils erforderliche Einsichtsfähigkeit hat oder eine gesetzliche oder gerichtliche Erwachsenenvertretung erforderlich ist;
- sodann bei der Beurteilung, ob und wann die Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis registriert werden kann;
- und letztlich bei der Verlängerung der gesetzlichen und der gerichtlichen Erwachsenenvertretung bei der Beurteilung der Frage, ob die jeweilige Vertretungsform aufrecht bleiben kann.
Mag. Dominik Liebich ist Notarsubstitut im Notariat Mag. Martin Lux in Graz.