AERZTE Steiermark 05/2024
Ordinationskauf nicht schlichtungspflichtig
94 Abs 1 ÄrzteG verpflichtet Ärzte zur Anrufung einer Schlichtungsstelle, wenn sich zwischen ihnen „bei Ausübung des ärztlichen Berufes“ Streitigkeiten ergeben. In einer aktuellen Entscheidung stellt der OGH klar, dass der Streit über einen Ordinationskauf nicht schlichtungspflichtig ist (9Ob28/23t vom 26.7.2023). Der Artikel stellt die Entscheidung vor und beleuchtet die Auswirkungen auf die Praxis.
Von Mag. Dr. Eva Tscherner
Der Sachverhalt ist schnell erklärt: Ein in den Ruhestand tretender Allgemeinmediziner entscheidet sich dafür, seine Ordination als Übergabe-Praxis ausschreiben zu lassen und führt diese auch ein Jahr lang mit seiner Nachfolgerin.
Uneinigkeit zwischen den beiden Ärzten gab es allerdings hinsichtlich des Kaufpreises für die Praxis, weshalb der ausscheidende Übergeber eine zivilrechtliche Klage anstrengte. Die Übernehmerin wandte ein, dass es sich um eine Streitigkeit handeln würde, die zunächst dem Schlichtungsausschuss der Ärztekammer zur Schlichtung vorgelegt hätte werden müssen. Das Verfahren durchwanderte die Instanzen bis zum Obersten Gerichtshof (OGH).
Der OGH wies zunächst auf den Zweck einer derartigen Regelung hin: Zielsetzung der Einrichtung der Schlichtungsstellen der Ärztekammer ist es, den Versuch zu unternehmen, einen Streit durch eine interne, mit Fachleuten besetzte Einrichtung zu schlichten und damit ein Hinausdringen der dem Berufsstand meist nicht förderlichen Angelegenheit an eine breitere Öffentlichkeit zu verhindern.
Das Schlichtungsverfahren soll den Parteien die Möglichkeit bieten, ohne jede Formstrenge unter Anleitung erfahrener und sachkundiger Personen eine gütliche Einigung herbeizuführen, um ein oft langwieriges und kostenaufwendiges gerichtliches Verfahren zu vermeiden.
Die Schlichtungsstelle soll allerdings nicht bei sämtlichen Streitigkeiten zwischen Ärzten vorgeschaltet werden, sondern nur bei solchen, die sich „bei Ausübung der ärztlichen Tätigkeit“ ergeben.
Erstmals eine Grenze
In der Vergangenheit hat die Judikatur diese Anforderung weit ausgelegt und z. B. ehrenrührige bzw. kreditschädigende Aussagen eines Arztes über die Verrechnung von Labortätigkeiten eines anderen Arztes umfasst (OGH 6Ob32/05g). Das Landesgericht für Strafsachen Wien hielt auch eine verbale sowie körperliche Auseinandersetzung zweier Spitalsärzte an einem Universitätsklinikum während einer Dienstbesprechung über den Ort eines Fortbildungsvortrages für schlichtungspflichtig (Beleidigung und üble Nachrede; LGSt Wien 15.12.2008, 133 Bl 114/08p [Anm Lughofer], AnwBl 2009/8184).
In der aktuellen Entscheidung zieht der OGH erstmals eine Grenze und weist darauf hin, dass schlichtungspflichtig nur solche Streitigkeiten sind, welche untrennbar mit der ärztlichen Tätigkeit verbunden sind. Da nicht jeder Arzt selbständig und damit Unternehmer ist, war der Streit über den Kaufvertrag über eine Ordination nicht schlichtungspflichtig.
Die Abgrenzung ist meines Erachtens treffend, ist der selbständige Arzt doch neben seiner ärztlichen Tätigkeit auch Unternehmer und verkauft bei Abschluss eines Kaufvertrages über seine Ordination diese unternehmerische Einheit. Diese Facette fehlt z. B. einem angestellten Arzt, der unwidersprochen den ärztlichen Beruf ausübt. Ob ein Unternehmenskauf eine Arztpraxis oder z. B. einen Gewerbebetrieb betrifft, darf für den direkten Zugang zu den ordentlichen Gerichten keinen Unterschied machen.
Auch Zahnärzte betroffen
Die Entscheidung hat über das ÄrzteG hinaus Bedeutung. § 54 Abs 1 Zahnärztekammergesetz wurde § 94 Abs 1 ÄrzteG nachempfunden. Die vom OGH getroffene Abgrenzung ist daher auch für diese Bestimmung heranzuziehen.
Interpretationsspielraum
Der OGH wird in seiner Folgejudikatur herauszuarbeiten haben, wo der Zusammenhang mit der genuin ärztlichen Tätigkeit zu schwach wird, um eine Schlichtungspflicht auszulösen.
Der direkte Gang zu Gericht kann neben der Diskretion innerhalb des Standes den Vorteil haben, dass anwaltliche Vertretungskosten nur für das Gerichtsverfahren anfallen, welche bei Obsiegen von der Gegenseite zu tragen sind. Ein Schlichtungsverfahren kann indes trotz langer Dauer scheitern, etwaige Vertretungskosten sind von jeder Partei selbst zu tragen. Es ist sodann ein Gerichtsverfahren zu führen.
Umgekehrt wird ein Schlichtungsversuch dadurch nicht ausgeschlossen und bleibt ein Antrag an den Schlichtungsausschuss auch in solchen Angelegenheiten weiter möglich, wobei fraglich ist, ob sich die Gegenseite darauf einlässt.
Fazit: Der OGH stellt klar, dass nur Streitigkeiten schlichtungspflichtig nach § 94 Abs 1 ÄrzteG sind, welche untrennbar mit der Ausübung des ärztlichen Berufes verbunden sind. Bei dem vorgestellten Sachverhalt wurde dies nun konkretisiert, dennoch bleibt bei diesem Kriterium noch Interpretationsspielraum offen.
Eine rechtliche Beratung im Vorfeld kann Klarheit schaffen.
RA Mag. Dr. Eva Tscherner ist in der Kanzlei HBA Rechtsanwälte in Graz tätig.
Foto: hba rechtsanwälte gmbh