AERZTE Steiermark 05/2024
Die Kraft der Musiktherapie
Mindestens drei Herzen schlagen in der Brust von Monika Glawischnig-Goschnik. Dass sie damit gut leben kann, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass es sich dabei um die Medizin, die Psychologie und die Musik handelt.
Monika Glawischnig-Goschnik ist Medizinerin und war als solche über viele Jahre bis zum 30.09.2022 als Assistenzärztin an der Uniklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie tätig. Tags darauf, am 01.10.2022, trat sie an der Kunstuniversität Graz ihre Professur für Musiktherapie an – 2010 als interuniversitärer berufsbegleitender Universitätslehrgang (GRAMUTH, was für Grazer Musiktherapie steht) geführt und mittlerweile zu einem Bachelor- und Masterstudium weiterentwickelt.
Drei Herzen in einer Brust – so könnte man meinen – sollten doch zumindest für veriatable Tachykardien sorgen. Nicht so bei Monika Glawischnig-Goschnik: Obwohl früh musik- und musiktherapiebegeistert, schloss die geborene Grazerin hierorts ihr Medizinstudium ab, um sich als fertige Medizinerin auf die Ausbildungen in Musiktherapie und die zur integrativen Psychotherapeutin am renommierten Fritz-Perl-Institut am deutschen Beversee einzulassen. Nicht weil sie sich nicht entscheiden konnte, sondern weil ihr früh klar war, dass die Behandlung von Patient:innen enorm gewinnt, wenn sich ein psychotherapeutischer und auch ein musiktherapeutischer Ansatz dazugesellen. Unterstützt wurde sie in dieser Überzeugung und den daraus erwachsenen Aktivitäten etwa durch Walter Pieringer und Rainer Danzinger, legendäre Psychiater und Analytiker an der Universitätsklinik für Psychotherapie und der für Psychiatrie, die visionär bereichsübergreifend arbeiteten und dachten: immer den ganzen Menschen und nicht einzelne medizinische Interventionen im Blick zu haben. So arbeitete Glawischnig-Goschnik an der Klinik, nahm sich insbesondere des psychosomatisch-psychotherapeutischen Konsiliar- und Liaisondienstes sehr an, führte musiktherapeutische Gruppen an der Psychiatrie und Einzeltherapien an der Abteilung für medizinische Psychologie durch. Ebenso engagierte sie sich aber in der Musiktherapie, hielt Vorträge und Workshops im Rahmen des Arbeitskreises Musiktherapie und verstand es die beiden Zugänge auch auf institutioneller Ebene miteinander zu verbinden: 2010 wurde der interuniversitäre Lehrgang Musiktherapie gegründet, in dem die Kunstuniversität Graz, die Karl-Franzens-Universität und die Med Uni Graz aufs Engste kooperierten.
Künstlerisch, wissenschaftlich, evidenzbasiert
„Musiktherapie ist ein sehr breites Feld“, erläutert die Musiktherapie-Professorin, „sie ist eine künstlerisch-wissenschaftliche Disziplin, die sich musikalischer Mittel bedient. Therapeutisch wirksam ist die Beziehung zwischen Musiktherapeut:in und Patient:in, nicht die Musik an sich. Der Effekt besteht also nicht – was manche meinen – im Zauber der Musik, sondern darin, was sich zwischen Therapeuti:in und Patient:in tut, indem sie musikalisch interagieren.“ Das kann darin bestehen, gemeinsam Musik zu machen oder auch nur Musik zu hören – sich darauf einzulassen, was entsteht, wenn Töne auf Menschen wirken oder Menschen sich tonal ausdrücken.
Die Musiktherapie unterstützt und sie heilt – von der Neonatologie bis zum Hospiz. Sie ist – ebenso wie Psychiatrie und Psychotherapie – evidenzbasiert, wird fortlaufend beforscht und auch die gesetzliche Normierung versteht sich als eigenständige, wissenschaftlich-künstlerisch-kreative und ausdrucksfördernde Therapieform. Als solche umfasst sie die bewusste und geplante Behandlung von Menschen, insbesondere mit emotional, somatisch, intellektuell oder sozial bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen – eben durch den Einsatz musikalischer Mittel. Daher ist die Ausbildung hochqualifiziert und spezifisch – Musiktherapie bieten also nicht einfach Musiker:innen an, sondern eben ausgebildete Musiktherapeut:innen.
Musik auf Station
Die Kunstuniversität Graz hat es sich zur Aufgabe gemacht, Musik in die Gesellschaft zu bringen. Gerade auch die Musiktherapie leistet dabei – weil sie in so vielen Bereichen wirksam ist – einen wesentlichen Beitrag. Musiktherapie-Absolvent:innen – es gibt in ganz Österreich derzeit etwa 500 – arbeiten etwa mit psychiatrischen Patient:innen, mit Menschen mit Autismusspektrumstörungen, Entwicklungsstörungen u.ä.m., in Pflege- und Betreuungseinrichtungen aller Art. Obwohl von der rechtlichen Normierung her der Psychotherapie gleichgestellt, muss man sich für den Einsatz in einigen KAGes-Abteilungen derzeit dienstrechtlich noch mit einer Vereinslösung behelfen. „Als Ärztin freue ich mich aber genauso, dass es nun etwa das Programm Musik auf Station gibt, wo die Studierenden aller möglichen musikalischen Fächer ins Spital gehen und auf den Stationen musizieren“, so Glawischnig-Goschnik.
In der Verbindung liegt das Heil
Das Verbindende ist Glawischnig-Goschnik „total wichtig“: Wenn Medizin, Psycho-, Physio- und Ergotherapie – nicht zu vergessen Seelsorge – miteinander kooperieren, diskutieren, sich mit- und zueinander positionieren, profitieren die Patient:innen enorm. „So wichtig der naturwissenschaftlich orientierte Fortschritt in der Medizin ist, so wichtig ist es, zur Patientin/zum Patienten hinzugehen, sie/ihn als ganzen Menschen wahrzunehmen und anzusprechen und in Beziehung zu gehen. Das bedeutet manchmal auch, etwas gemeinsam auszuhalten, etwa wenn geklagt wird, dass die Schmerzen, das Leid, die Krankheit nicht genügend gelindert oder geheilt werden kann. Auch das soll und muss zur Verfügung gestellt werden. Und dazu kann eben auch gerade die Musiktherapie enorm entlastend und entwicklungsfördernd beitragen. Deshalb freut mich die enorme Resonanz auf dieses neue Studium unglaublich. “
Ja, ich arbeite viel
Dass drei Herzen mehr Kraft haben als eines alleine, ist logisch. So nimmt wenig Wunder, dass Frau Professor Glawischnig-Goschnik nicht nur ein neues Studienfach entwickelt, organisiert und implementiert – sie nimmt auch ihr Lehrdeputat wahr, was bedeutet einmal pro Monat von Freitag bis Sonntag durchzuarbeiten – immer mehr Studien werden ja auch berufsbegleitend absolviert. Das jeweils spezifische Blut aus ihren drei Herzen scheint Glawischnig-Goschnik an ihre nun schon erwachsenen Kinder vererbt zu haben: die Söhne haben sich der Medizin und der Entwicklungszusammenarbeit verschrieben, die Tochter wandte sich der Psychologie zu.
Trotz übervollem Arbeitsprogramm gehen Glawischnig-Goschnik die Ideen dennoch nicht aus: „Wenn es nach mir ginge, gäbe es auf jeder Abteilung musiktherapeutische Balint-Gruppen verpflichtend“, schmunzelt sie mit einem Augenzwinkern.
Fotos: KAGes/Kanizaj, KK